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Fontanes Handbibliothek

Die unter dem Begriff Fontanes Handbibliothek zusammengefasste Sammlung ist eine institutionell gewachsene. Er umschreibt einen 168 Bände umfassenden Teilbestand aus Fontanes eigener Bibliothek, also eine Sammlung von Büchern aus Theodor Fontanes Besitz, die sich erhalten hat und die heute im Theodor-Fontane-Archiv bewahrt wird. Die Bedeutung dieses Ausschnitts aus einer Autorenbibliothek ergibt sich zu allererst aus ihrer Provenienz: Fontane hat die Bücher selbst in Händen gehalten und mit ihnen gearbeitet. Zudem ist er Teil der ›Schriftstellerwerkstatt‹, unersetzbar wegen der zahlreichen von Fontane verfassten Marginalien und wertvoll durch die vielen Widmungsexemplare von Freunden und Kollegen.

 (öffnet Vergrößerung des Bildes)Bild: Ernst Kaczynski
Ausschnitt aus Heinrich Heine: Romanzero, 4. Aufl. Hamburg: Hoffmann u. Campe 1852, mit Marginalien von Theodor Fontane

Tatsächlich weisen die erhaltenen Bände unterschiedlichste Lektüre- und Benutzungsspuren auf. So finden sich zum Beispiel Marginalien verschiedenen Typs: Kommentare, Bewertungen, Textkorrekturen, Varianten, Übersetzungen, Widmungen und Schenkungsvermerke. Hinzu kommen An-, Unter- und Durchstreichungen, Markierungen, Verweise, Stempel, Abdrücke, Eselsohren, Fingerabdrücke, Einlagen und Eingeklebtes. All diese Zeugnisse von Lese-, Arbeits-, Produktions-, Kritik-, Revisions- und Sammlungsprozessen verwischen die Grenze zwischen Bibliothek und Archiv, zwischen Sammlung und Materialfundus.

 (öffnet Vergrößerung des Bildes)Bild: Ernst Kaczynski
Ausschnitt aus Otto Franz Gensichen: Felicia. Ein Minnesang. Berlin: Grosser 1882, mit Marginalien von Theodor Fontane

Ein Großteil der Schriftspuren lässt sich auf Theodor Fontane zurückführen. Daneben finden sich ebenfalls handschriftliche Einträge von der Familie (Emilie Fontane, Friedrich Fontane, George Fontane, Otto Fontane, Martha Fontane), von Freunden, Verlegern und Kollegen (Otto Pniower, Bernhard von Lepel, Friedrich Wilhelm Holtze). Zudem geben die verschiedenen Widmungen und Schenkungsvermerke Aufschluss über freundschaftliche und berufliche Netzwerke (Friedrich Eggers, Th. H. Pantenius, Ludwig Pietsch, Otto Roquette, Johannes Trojan, Friedrich Spielhagen, Georg Friedländer). Nicht immer lassen sich die Marginalien eindeutig zuordnen. Erschwert wird die Bestimmung mitunter durch verblichene Schriftspuren oder Ausradierungen.

Forschungsliteratur:

Anna Busch: Fontane als Leser. Zur Visualisierung von Lektürespuren in Fontanes Handbibliothek, in: Fontane Blätter 107 (2019), S. 104-131.

Wolfgang Rasch: Zeitungstiger, Bücherfresser. Die Bibliothek Theodor Fontanes als Fragment und Aufgabe betrachtet. in: Imprimatur. Ein Jahrbuch für Bücherfreunde. N.F. [Bd.] XIX. Wiesbaden 2005, S. 103-144.

Joachim Schobeß: Die Bibliothek Theodor Fontanes, in: Fontane Blätter 2 (1973) 8, S. 537-563.

Forschungsprojekt »Visualisierung von Theodor Fontanes Handbibliothek«

Die erhaltenen 168 Bände der Handbibliothek Fontanes sind durch das Theodor-Fontane-Archiv bibliographisch erfasst und jede Einzelseite ist digitalisiert worden. Die ca. 64.000 Images dieser Sammlung dienen als Basis für eine interaktive Visualisierung, die neuartige Perspektiven auf diese Autorenbibliothek eröffnen, sie benutz- und erkundbar machen soll.

In Kooperation mit dem Urban Complexity Lab der Fachhochschule Potsdam unter der Leitung von Prof. Dr. Marian Dörk hat das Theodor-Fontane-Archiv eine graphische Benutzerschnittstelle zur explorativen Sichtung einer Autorenbibliothek entwickelt, die Fontanes Handbibliothek - jenseits von der Überführung in klassische Onlinekataloge und Bibliothekssysteme – virtuell rekonstruiert. Ziel ist es, Lektüre- und Benutzungsspuren in den Bänden offenzulegen und dabei im Rahmen des gemeinschaftlich entwickelten Protoyps visuelle Zugänge zu eröffnen, die das Material gänzlich anders aufschlüsseln, als es bisher in Einzelrecherchen möglich war.

Projektteam:

Mark-Jan Bludau (UCLab / FH Potsdam), Viktoria Brüggemann (UCLab / FH Potsdam), Anna Busch (TFA / Universität Potsdam), Marian Dörk (UCLab / FH Potsdam), Kristina Genzel (TFA / Universität Potsdam), Klaus-Peter Möller (TFA / Universität Potsdam), Sabine Seifert  (TFA / Universität Potsdam), Peer Trilcke (TFA / Universität Potsdam)

Die visuellen Zugänge zu den Beständen bzw. zu den Einzelobjekten können dabei ganz unterschiedlich ausfallen. Es sind sowohl Über- und/oder Quersichten auf den Bestand, als auch narrative Einbettungen von Einzelexponaten samt deren Exploration möglich. Die Verknüpfung von Inhalten mit einer Strukturebene (d.h. von Einzelobjekten mit einer bestandsbeschreibenden Einordnung) ist für die Nutzer*innen ebenso nachvollziehbar wie die Bereitstellung gleichgeordneter Zugänge, die es ihnen erlauben, sich entlang einzelner Objekte durch den Bestand zu bewegen und sich so Schritt für Schritt Inhalte zu erschließen. Das ermöglicht einen schnellen Überblick über den gesamten Datenbestand und eine gleichzeitige Darstellung von Einzelphänomenen. Darüber hinaus werden Zusammenhänge zwischen den einzelnen Büchern erkennbar:

  • Welche Autoren hat Fontane gelesen?
  • Welche Bücher hat Fontane mit umfangreichen Anmerkungen versehen?
  • Welche Bände weisen nur wenige oder gar keine Marginalien auf?
  • Welche Typen von Marginalien treten gehäuft auf?
  • Lässt sich ein Zusammenhang zwischen Textgenre und Lektürespuren feststellen?
  • Ist die Anzahl der Lektürespuren abhängig von der Textsorte?
  • Gibt es bestimmte Autoren, bei denen sich Fontane eher ein Urteil/eine Bewertung erlaubt als bei anderen?
  • Hat er die ihm zur Verfügung gestellten Rezensionsexemplare ganz besonders intensiv bearbeitet?
  • Hat Fontane mit seinen eigenen Büchern anders gearbeitet als mit denjenigen anderer Autoren?

Diesen und ähnlichen Fragen können Sie in unserer Visualisierung der Handbibliothek Fontanes nachgehen.

Forschungsliteratur:

Anna Busch, Mark-Jan Bludau, Viktoria Brüggemann, Marian Dörk, Kristina Genzel, Klaus-Peter Möller, Sabine Seifert, Peer Trilcke:  Skalierbare Exploration. Prototypenstudie zur Visualisierung einer Autorenbibliothek am Beispiel der ›Handbibliothek Theodor Fontanes‹, in: Konferenzband zur DHd 2019 Frankfurt & Mainz - Digital Humanities: multimedial & multimodal, 2019.

Anna Busch: Fontane als Leser. Zur Visualisierung von Lektürespuren in Fontanes Handbibliothek, in: Fontane Blätter 107 (2019), S. 104-131.

Ihre Ansprechpartnerin

Dr. Anna Busch

Management digitale Projekte

Telefon:
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Dr. Anna Busch