29. Oktober 1870, Samstag
Ereignis
- 29.10.1870
- F verläßt Besançon am frühen Morgen wird er mit fünf badischen Kriegsgefangenen über Bourg in das Gefängnis nach Lyon gebracht; dort wird ihm als ‚officier supérieur‘ eine gesonderte Stube zugewiesen, die „nichts als eine vergrößerte Alte-Wäschkiste“ ist; F erhält in Lyon mehrfach Besuch: „Verschiedene Leute aus der Stadt, vielleicht Freunde des Gefängnisvorstandes, kamen, um mit mir zu politisieren“ [1] [2]
- 29.10.1870
- Otto von Bismarck schreibt in Fs Angelegenheit an Elihu Washburne, den Gesandten der Vereinigten Staaten von Amerika in Paris – seine Depesche lautet in deutscher Übersetzung: „Mein Herr! Nach glaubwürdiger Mitteilung ist Dr. Fontane, ein preußischer Untertan und wohlbekannter Geschichtsschreiber, auf einer wissenschaftlichen Reise in französischen, durch deutsches Militär besetzten Distrikten verhaftet und nach Besançon abgeführt worden, wo er in Lebensgefahr zu sein scheint. Nichts kann ein derartiges Vorgehen gegen einen harmlosen Gelehrten rechtfertigen. Ich bitte Sie daher, die Güte zu haben, formell seine Freilassung von der französischen Regierung zu verlangen und ausdrücklich zu erklären, daß wir im Weigerungsfalle eine gewisse Anzahl von Personen in ähnlicher Lebensstellung in verschiedenen Städten Frankreichs verhaften und nach Deutschland schicken und ihnen dieselbe Behandlung zuteil werden lassen, die dem Dr. Fontane in Frankreich beschieden ist. Ich verbleibe usw. v. Bismarck“ (→ 23. 1. 1871) [3]
- 29.10.1870
- Kriegsminister v. Roon läßt auf Betreiben von Lepel drei französische Gelehrte verhaften als Repressivmaßnahme gegen Fs Verhaftung [4]
- 29.10.1870
- Marieange Merjoy, Frau des Directeur du personnel au ministère de la guerre in Brüssel, wendet sich in einem Brief an die Oberin des Ordens Heilig-Herz-Jesu in Besançon mit der Bitte, einen Weg ausfindig zu machen, auf dem Nachrichten von F an dessen Familie in Berlin gelangen können; M. Merjoy hat zuvor eine entsprechende Bitte aus Berlin erhalten; die Oberin berichtet daraufhin das Wenige, das sie in Erfahrung bringen konnte, nachdem F bereits seit 14 Tagen Besançon verlassen habe: „Il sera échangé contre un officier supérieur de l’armee française (si la Prusse le propose)“ [5]
- 29.10.1870
- George Fontane erfährt von Fs Gefangennahme; am 31.10.1870 schreibt er deswegen an seine Mutter: „Alle hier von den Offizieren finden es aber auch kolossal leichtsinnig, in einem Lande, dessen Einwohner, wie Papa selbst schreibt, sont ‚enragés contre nous‘, herumzuturnen“ [6]
- 1: NyA 16,47
- 2: NyA 16,58–62 (59)
- 3: Kriegsgefangen. Populär-historische Ausgabe. Mit Briefen und Dokumenten. Berlin: F. Fontane [1914],196; FaRD 164 (hiernach zit.); NyA 16,519
- 4: Hermann Fricke: Theodor Fontanes Kriegsgefangenschaft 1870, in: Der Bär von Berlin. Jahrbuch des Vereins für die Geschichte Berlins. 5. Folge. Berlin 1955,53–73.
- 5: TFA Sign. Ca 891 (Abschrift in frz. Sprache, ohne Anfang) (Zitat); Kriegsgefangen. Populär-historische Ausgabe. Mit Briefen und Dokumenten. Berlin: F. Fontane [1914],197f.
- 6: Manfred Horlitz: Eltern, Kinder und Geschwister. Wenig Bekanntes aus dem Familienleben der Fontanes, in: Berliner Lesezeichen, 8 (2000),66 (www.berliner-lesezeichen.de/lesezei/Blz00_06/text47.htm [22. 1. 2004])
Letzte Bearbeitung: 22.12.2020
(https://www.fontanearchiv.de/chronik/1870-10-29/)
Empfohlene Zitierweise: Roland Berbig: Theodor Fontane Chronik digital. Auf der Grundlage der »Theodor Fontane Chronik« (5 Bde., Berlin: De Gruyter 2010) hg. v. Theodor-Fontane-Archiv. Potsdam 2021ff. URL: https://www.fontanearchiv.de/chronik/1870-10-29/. Letzte Bearbeitung: 22.12.2020.
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