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Blogbeitrag01.11.2021

Stempelarchive

Institutions- und Sammlungsgeschichte in Stempelform

Von Anna Busch und Sabine Seifert

Die wechselvolle Geschichte des Theodor-Fontane-Archivs und seiner Bestände zeigt sich besonders eindrücklich an den verschiedenen Stempeln, die sich in und auf den unterschiedlichen Archivmaterialien des Hauses finden. Die Stempel lassen sich bestimmten Verwendungszeiträumen zuordnen und spiegeln neben Bestands- und Institutionsgeschichte auch die sich ändernden Kennzeichnungs- und Archivpraktiken.

Stempel zur Kennzeichnung von Buchbesitz

 (öffnet Vergrößerung des Bildes)Bild: TFA

 

Der chronologisch erste Stempel ist nicht eigentlich dem Theodor-Fontane-Archiv, aber doch dem Fontane-Nachlass zuzuordnen: der Exlibrisstempel von Theodor Fontanes Sohn Friedrich. Er kennzeichnet eine Vielzahl der Bücher, die sich in Fontane’schem Familienbesitz befunden haben. Einige davon finden sich in der sogenannten »Handbibliothek Fontanes«, die als kleiner, in sich geschlossener Bestand von 160 Bänden im Theodor-Fontane-Archiv aufbewahrt wird. Die mit dem Stempel vorgegebene mögliche Numerierung der Bücher hat Friedrich Fontane allerdings in keinem seiner Bücher umgesetzt.

Bild: TFA

Der erste tatsächliche Archivstempel ist ein regelmäßig mit schwarzer oder blauer Tinte verwendeter Stempel, der den Schriftzug »Schrifttumsarchiv der Brdbg. Provinzialverwaltung« trägt. Dieser Stempel war von der Gründung des Theodor-Fontane-Archivs im Jahr 1935 bis in das Jahr 1945 der gültige Besitzvermerk. In dieser Zeit gehörte das Theodor-Fontane-Archiv zum Brandenburgischen Schrifttumsarchiv und unterstand der Brandenburgischen Provinzialverwaltung.

Unter der Leitung von Joachim Schobeß wurde das Fontane-Archiv von 1948 bis 1969 als Abteilung der Brandenburgischen Landesbibliothek (später Brandenburgische Landes- und Hochschulbibliothek) geführt. Aus diesem Zeitraum stammt der runde Stempel mit dem Schriftzug »Brandenburg. Landes- u. Hochschulbibliothek Theodor Fontane-Archiv«. In dieselbe Zeit fällt auch ein blauer Stempel »Landes- u. Hochschulbibliothek Brandenburg«, der belegt, dass das betreffend Buch nach dem Krieg zwischenzeitlich in den allgemeinen Bibliotheksbestand der Brandenburgischen Landes- und Hochschulbibliothek Potsdam eingegliedert worden war.

Bild: TFA

 

Seit dem Zeitpunkt, da das Fontane-Archiv ab 1969 der Deutschen Staatsbibliothek Berlin (DDR) zugeordnet war, findet sich ein runder, meist mit blauer Tinte eingestempelter Abdruck »DEUTSCHE STAATSBIBLIOTHEK Theodor-Fontane-Archiv« in den Büchern des Archivs. Der Besitzstempel der Staatsbibliothek Berlin fand bis zum Jahr 1992 Verwendung. Danach erfolgte die Neugründung des Theodor-Fontane-Archivs als eigenständige Einrichtung mit einem eigenen Stempel, der einen schlichten Schriftzug »Theodor-Fontane-Archiv« zeigt.

Stempel im Handschriftenbestand

Im Gegensatz zu den Stempeln, die den Buchbesitz kennzeichnen, sind die Stempel auf den Autographen des Archivs kleiner und zurückhaltender. Aber auch aus ihnen lassen sich die unterschiedlichen institutionellen Zusammenhänge und Aufbewahrungsorte ablesen.

Bild: TFA

Die vier gängigsten Stempel, die sich auf den Autographen des Theodor-Fontane-Archivs finden, sind folgende:

  1. Stempel der Landes- und Hochschulbibliothek, Abteilung Fontane-Archiv, Potsdam, 1948–1969
  2. Stempel der Deutschen Staatsbibliothek, Abteilung Fontane-Archiv, Potsdam, 1969–1992
  3. Stempel der Staatsbibliothek Berlin, 1969–1992, verwendet in Kombination mit einem Stempel des Theodor-Fontane-Archivs
  4. Stempel des Theodor-Fontane-Archivs, ab 1992

Eine Besonderheit, die sich auf einzelnen Materialien aus dem Archivbereich findet, ist ein Prägestempel mit dem Schriftzug »Prov. Verband von Brandenburg«. Der Abdruck stammt von einer Prägezange, die im Zeitraum 1935–1945 auf Abschriften von Fontane-Manuskripten zu finden ist. Hier wird vermutet, dass es sich um ein Mittel der archivarischen Besitzkennzeichnung handelt, um Materialien zu kennzeichnen, die aus dem Besitz Friedrich Fontanes an das Theodor-Fontane-Archiv gingen. Friedrich Fontane lieh sich die entsprechenden Materialien nach der Übergabe an das Archiv noch einmal aus, um eine Publikation vorzubereiten und so sollte wohl sichergestellt werden, dass diese auch wirklich den Weg zurück ins Archiv fänden. Ein Beispiel ist das Konvolut, das sich heute unter der Signatur Kfa 1 im Fontane-Archiv findet: eine maschinenschriftliche Abschrift des Werkmanuskripts »Carl Blechen«.

Stempel einzelner Sammlungen

Bild: TFA

Mit der Sammlung Christian Andree konnte 1997 die bis dahin größte deutsche Privatsammlung an Fontane-Autographen und Fontaneana für das Theodor-Fontane-Archiv erworben werden. Der Stempel »Fontane Sammlung · Christian Andree« weist diesen Sammlungszusammenhang aus.

Auch die Arbeitsmaterialien des Fontane-Forschers Otto Drude, die im Fontane-Archiv aufbewahrt werden, sind  durch einen eigenen Stempel mit »Drude« gekennzeichnet.

Archivstempel

Die Objekte des Fontane-Archivs erzählen Geschichten. Provenienzforschung am Buch, in der Bibliothek und im Archiv erweist sich – auch mithilfe der unterschiedlichen hier dokumentierten Stempel – als Katalysator für das Geschichtenerzählen an den Objekten entlang. Sammlungszusammenhänge, bibliothekarische und archivarische Praxis dokumentieren sich anhand der verschiedenen zeitlichen Bezüge und Schichten, die an den Exlibris-, Präge- und Besitzstempeln abzulesen sind. Sie erzählen von den Wegen, die Bücher und Autographen genommen haben, in welchem Zusammenhang sie zu denken sind, wann und unter welchen Umständen die Materialien in den Besitz des Theodor-Fontane-Archivs gelangt sind. Die Stempel spiegeln nicht zuletzt die  institutionelle Beglaubigung und die historische Aufbewahrensrelevanz des einzelnen Objekts.

Ungestempeltes

Einschränkend zum vorher Gesagten ist festzuhalten, dass es in den Sammlungszusammenhängen des Theodor-Fontane-Archivs zahlreiche Materialien gibt, die nicht gestempelt worden sind, die ungestempelt und ohne Besitzvermerk in den Archivbestand integriert wurden und auch heute nicht als zum Archiv gehörig gekennzeichnet sind. Die Materialien des Schrifttumsarchivs etwa wurden zunächst nicht gestempelt. Die oben genannten Prägezangenmarkierungen und die Stempel in der Handbibliothek Fontanes bilden hier eine Ausnahme. Da ein beträchtlicher Teil der Bestände des Theodor-Fontane-Archivs im Krieg verloren ging, finden sich hierunter auch umfangreiche Materialien, die nicht über entsprechende Besitzvermerke unserem Bestand zugeordnet werden können. Der Besitznachweis ist in solchen Fällen über die unterschiedlichen Bestandslisten des Archivs, über Zugangsbücher und Belege über Erwerbungsvorgänge zu führen. In der Tabelle zu den seit dem Krieg vermissten Beständen versucht das Theodor-Fontane-Archiv einen Überblick über sämtliche gestempelte und ungestempelte Materialien zu liefern, die dem Besitz des Archivs zuzurechnen sind. 

Hinzuweisen ist auch auf eine Diskussion, wonach der Eingriff qua Stempel in die Materialität von Handschriften möglichst zu vermeiden sei. Erwogen wird, ob nicht Handschriftliches, Autographen und Manuskripte, vor solchen Beeinträchtigungen grundsätzlich zu schützen seien. Damit einher gehen Überlegungen, Neuerwerbungen nicht mehr – wie lange Zeit üblich – durch Stempel als einer Institution zugehörig auszuweisen.

Die abgebildeten Stempel des Theodor-Fontane-Archivs sind gültig. Das Theodor-Fontane-Archiv erhebt auf alle Materialien, die mit seinen historischen und aktuellen Stempeln versehen sind, Eigentumsanspruch.

Dabei tragen diese Werke den Stempel der Wahrheit (außer dem der königl. Bibliothek) und führen mich keineswegs zur Verkleinerung des Königs und andren Bedauerlichkeiten.

Theodor Fontane an Bernhard von Lepel, 22. November 1848