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2. Teil: Schreib-Spuren

Jedes seiner größeren Werke bereitete Fontane mit einer Vielzahl an Notizen, Skizzen und Stoffsammlungen vor. Auch im Zuge der Ausarbeitung entstanden in der Regel  mehrere Werkmanuskripte, wenn etwa eine eigene oder von seiner Frau Emilie angefertigte Abschrift einem neuerlichen Prozess von Streichungen, Änderungen und Ergänzungen unterzogen wurde. Dabei verwendete Fontane Blätter oft mehrfach und nutzte nach der Drucklegung eines Werkes die Rückseiten für ein anderes.


Anhand der überlieferten Materialien lassen sich wichtige Schritte der Entstehung der Novelle Grete Minde nachvollziehen. Von den Ortsstudien, die Fontane in  Tangermünde betrieb, finden sich Skizzen in einem Notizbuch. In späteren Aufzeichnungen werden die Schauplätze genauer beschrieben; schließlich wird die Handlung in 14 »Situationen« entworfen. Vom Werkmanuskript sind nur wenige, stark überarbeitete Seiten erhalten. Eine als Druckvorlage bestimmte Abschrift ist im Falle von Grete Minde nicht überliefert.

 (öffnet Vergrößerung des Bildes)Bild: TFA
Notizbuch, TFA Notizbuch E 5, Bl. 11r (Eigentum der Staatsbibliothek zu Berlin).

 

 

Im Juli 1878 reiste Fontane nach Tangermünde, um die Schauplätze seiner geplanten Novelle zu studieren. Im Notizbuch hielt er u. a. den Grundriss der Stadt fest. Um seine Erinnerungen zu unterstützen, beschriftete Fontane die wichtigsten örtlichen Gegebenheiten in der Skizze. Das Notizbuch enthält auch erste textliche Entwürfe zu Grete Minde, die von Rechnungen und Notizen zu anderen Werken  unterbrochen werden.

Bild: TFA
Entwürfe und Skizzen, TFA Kd 1, Bl. 1v.

 

 

Ausgehend von den vor Ort entstandenen Skizzen und Notizen hat  Fontane am heimischen Schreibtisch nähere Informationen zu  Schauplätzen der Novelle zusammengetragen und Überlegungen zu nötigen Ergänzungen festgehalten. Im Hinblick auf die Kirche St.  Stephan heißt es etwa:

 

»Hier muß ich mich ganz an die

alte Beschreibung und an die der

Lübecker Marien-Kirche halten. Jetzt

ist gar nichts mehr da.«

 

Unter die Beschreibungen mischen sich bereits stichpunktartige Bemerkungen zu Szenen der Novelle.

 (öffnet Vergrößerung des Bildes)Bild: TFA
»Situationen«, TFA V 1,6, Bl. 5r.

 

 

 

Bevor er mit der Ausarbeitung von Grete Minde begann, hatte Fontane die Handlung in 14 »Situationen« skizziert und in diesem Zusammenhang Überlegungen zur Situierung der geschilderten Ereignisse angestellt. Dass er dabei auf die Tangermünder Notizen zurückgreifen konnte, zeigt sich an Verweisen auf das und Übernahmen aus dem Notizbuch. Letztlich sind nicht alle dieser »Situationen« in die Novelle eingegangen; umgekehrt enthält die Novelle Kapitel, die in keiner »Situation« angelegt sind.

 (öffnet Vergrößerung des Bildes)Bild: TFA
Werkmanuskript, TFA St 59, Bl. 166v (Eigentum der Staatsbibliothek zu Berlin).

 

 

 

Ein Blatt des Werkmanuskripts von Grete Minde hat sich als Rückseite in einem Konvolut mit Entwürfen zu der Fragment  gebliebenen Erzählung Storch von Adebar erhalten. Fontane versah den eigenen Text in mehreren Schritten zunächst mit Tinte, überarbeitete ihn dann mit Rötel und versah ihn mit Einfügungen am Rand und zwischen den Zeilen. Berücksichtigt man sämtliche Korrekturen und Ergänzungen, entspricht der Wortlaut mit wenigen Ausnahmen bereits dem des Abdrucks in der Zeitschrift Nord und Süd, der der Buchausgabe im Verlag von Wilhelm Hertz vorausging.

Fontane war ein »Papierarbeiter«; seine Werke sind das Produkt harter und langwieriger Korrekturarbeiten. In immer neuen Anläufen brachte er Varianten desselben Textabschnitts zu Papier, feilte daran, korrigierte und ergänzte zwischen den Zeilen und an den Blatträndern. Wenn eine Stelle gänzlich getilgt werden sollte oder durch die intensive Überarbeitung unlesbar geworden war, griff er zuweilen zu Schere und Klebstoff und überklebte die betreffende Stelle mit einem Stück Papier, auf dem die neue, verbesserte Fassung stand. Typisch für Fontanes Arbeitsweise sind dabei kurze Reflexionen, in denen er seine Arbeit kommentiert und organisiert hat.


Veranschaulichen lässt sich Fontanes minutiöse Textarbeit an den Entwürfen zu verschiedenen Kapiteln aus Der Stechlin, insbesondere an mehreren Seiten zum Schluss von Fontanes letztem Roman.

 (öffnet Vergrößerung des Bildes)Bild: TFA
Entwurf zu »Der Stechlin«, TFA V 1,19, Bl. 17v

 

 

Die Notizen auf diesem Blatt stellen nicht den ersten Versuch Fontanes dar, das Ende des Stechlin Gestalt werden zu lassen. Mit Tinte und in großen Schriftzügen schrieb er zunächst seine Überlegungen zu früheren Entwürfen nieder:

 

»Der Schluß des

Romans muß ganz

anders werden als wie

im ersten Entwurf.

Viel kürzer.«

 

Mit Bleistift und in deutlich kleinerer Schrift setzte Fontane dann auf demselben Blatt seine Reflexionen um.

 (öffnet Vergrößerung des Bildes)Bild: TFA
Entwurf zu »Der Stechlin«, TFA V I,19, Bl. 14r.

 

 

Auf diesem Blatt hatte Fontane zunächst einen Brief vollständig entworfen. Spuren auf dem Papier deuten darauf hin, dass er das Briefkonzept später mit einem anderen Blatt überklebt haben muss, das den vorangehenden Romantext enthalten haben dürfte. Bei der Durchsicht des Konvoluts ordnete Fontane die Manuskriptseite schließlich mit  Blaustift dem »Schluß des Schlußkapitels« zu, verwies aber auch auf weiteres Material:

 

»Vergl: den Schluß auf dem

folgenden Blatt.«

 (öffnet Vergrößerung des Bildes)Bild: TFA
Entwurf zu »Der Stechlin«, TFA V I,19, Bl. 20r.

 

 

 

 

Den oberen Teil dieser Manuskriptseite hat Fontane bei der Durchsicht verworfen und mit Blaustift durchgestrichen, obwohl die Formulierung der Schlusswendung des Romans der endgültigen Fassung schon recht nahe kommt. Im unteren Teil schließt die Seite mit dem Wortlaut, wie er sich im gedruckten Text findet, weshalb es sich um die letzte Seite des Konvoluts handeln könnte:


»Oder (am Schluß):

nicht nöthig, daß die

Stechline weiterleben,

aber es lebe

der Stechlin

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