Fontanes Medien (1819–2019)
Internationaler Kongress, 13.–16. Juni 2019
Als Höhepunkt des wissenschaftlichen Programms im Fontane-Jahr fontane.200 richtete die Universität Potsdam unter Koordination des Theodor-Fontane-Archivs einen internationalen Kongress aus. Literatur- und Medienwissenschaftler*innen aus Deutschland, Österreich, der Schweiz, England, Schweden, Russland und den USA waren im Juni 2019 am Campus Am Neuen Palais der Universität Potsdam zu mehr als fünfzig Vorträgen und Präsentationen zusammenkommen. Festvorträge, Abendveranstaltungen und ein kulturelles Rahmenprogramm im sommerlichen Potsdam flankierten das wissenschaftliche Ereignis.
Der Medienarbeiter Fontane
Theodor Fontane war, im durchaus modernen Sinne, ein Medienarbeiter: Während seiner mehrjährigen Aufenthalte als Presse-Agent in London lernte er die innovativste Presselandschaft seiner Zeit kennen; als Redakteur in Berlin leistete er journalistische Kärrnerarbeit; er schrieb Kritiken über das Theater, die bildende Kunst und die Literatur – und wusste bei all dem sehr genau, wie er seine Texte auf ein Zielpublikum hin formatieren und wie er seine Themen platzieren musste, eine »Projektexistenz […], die in einer sich rasant verändernden Medienlandschaft versuch[te], ihre künstlerischen und sprachlichen Fähigkeiten zu Geld zu machen« (Iwan-Michelangelo D’Aprile).
Weiterführende Informationen
Der Kongress wurde im Rahmen von fontane.200 durch das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg sowie durch die Universität Potsdam gefördert.
Dass Fontane zudem einer der produktivsten und kreativsten Briefschreiber des 19. Jahrhunderts war, davon zeugen seine zahlreichen Briefwechsel, in denen er auf immer wieder einnehmende Weise den Ton und die stilistische Volte fand, mit denen er sein Gegenüber gewinnen konnte. Und auch seine Romane und »Wanderungen« sind dezidiert Medienprodukte: Verfasst zunächst für Zeitschriften und Zeitungen, in denen die Texte häufig als Serie erschienen, wurden sie erst nachträglich als Bücher in unterschiedlichen Verlagen publiziert. Was aber folgt aus dieser ebenso umfassenden wie produktiven Einbettung Fontanes in die medialen Umwelten seiner Zeit? Was für publizistische Strategien zeichnen sich ab? Welche Wechselwirkungen zwischen dem Journalisten und dem Romancier lassen sich ausmachen? Welche Spuren hat das Mediensystem der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, das durch das Aufkommen neuer Medien wie Photographie oder Telegraphie geprägt ist, in den Werken hinterlassen? Welche poetische Energie entfalten Medien in Fontanes literarischen Schriften, in seinen Briefen, in seinen Kriegsberichten, in seinen Balladen oder seinen (Reise-)Feuilletons?
Mit den Fragen nach »Fontanes Medien« soll der heute als ›Klassiker‹ geltende Romancier, Balladenschreiber, Reise- und Landschaftsschriftsteller keineswegs ausgeblendet werden. Vielmehr geht es gerade darum, darauf aufmerksam zu machen, dass Fontane auch in diesen Rollen – sowie in den entsprechenden Texten – unter den medienökologischen Gegebenheiten des 19. Jahrhunderts berichtet, erzählt und dichtet. Die ebenso rasante wie umfassende Medialisierung und Vernetzung der Gesellschaft im Laufe des 19. Jahrhunderts werden dabei als produktive Voraussetzung der schriftstellerischen Tätigkeit Fontanes begriffen. Eingebettet in ein weit verzweigtes Netz der Korrespondenz und der postalischen Textzirkulation, vertraut mit den Routinen und Publika der periodischen Massenpresse, für die er sein Leben lang schrieb, und auf vielfältige Weise geprägt von der visuellen Kultur seiner Zeit wird Fontane so als gleichermaßen journalistisch versierter wie ästhetisch sensibler Grenzgänger erkennbar.
Dabei hat der Kongress auch diskutiert, welche Rolle Medien bei der Rezeption und Tradierung, also bei der kulturellen Repräsentation von Fontane und seiner Zeit spielen. In diesem Zusammenhang war nicht nur zu bedenken, dass die »meisten Formen und Institutionen solcher Repräsentation […] Erfindungen des 19. Jahrhunderts selbst« sind (Jürgen Osterhammel), vom Schriftstellerarchiv und der wissenschaftlichen Edition über literarische Gesellschaften bis hin zu Photographie und Film. Es wurde auch gefragt, wie sich die kulturelle und wissenschaftliche Erinnerung im Zuge der digitalmedialen Transformationen behauptet. Wie vergewissert sich eine Kultur im digitalen Zeitalter, in einem Umfeld der permanenten Aktualisierung und Fragmentierung, ihres ›klassischen‹ Erbes? In welchen Medien lesen und begegnen wir heute Fontanes Texten?
Das wissenschaftliche Programm
Über 50 Vorträge in mehr als über 20 Sektionen bildeten das wissenschaftliche Hauptprogramm des Kongresses. Es wurde am Donnerstagsnachmittag, den 13. Juni 2019, mit einer feierlichen Auftaktveranstaltung eröffnet. Den Eröffnungsvortrag mit dem Titel Theodor Fontane: Kommunizieren, Produzieren und Publizieren in vernetzten Medien hielt der Literatur- und Medienwissenschaftler Rolf Parr.
Das Rahmenprogramm
Der Kongress wurde von einem umfangreichen kulturellen Rahmenprogramm begleitet. Unter anderem wurd zu zwei prominent besetzten Abendveranstaltungen eingeladen.
Freitag, 14. Juni 2019
»Ein sehr guter Stoff«. Fontane-Biographien
Eine Gesprächsrunde in der Potsdamer Stadt- und Landesbibliothek mit den Fontane-Biographinnen und -biographen Iwan-Michelangelo D’Aprile, Regina Dieterle und Hans Dieter Zimmermann fragt nach Strategien und Wegen der biographischen Annäherung an Fontane – und diskutiert die Biographie als populäres Medium der ›Klassiker‹-Rezeption.
Samstag, 15. Juni 2019
»Besser als feuilletonistisches Gequassel«. Zur Medienpraxis des Notierens
In Lesung und Gespräch mit der Schriftstellerin Kathrin Röggla und dem Georg-Büchner-Preisträger Marcel Beyer wird es um das Handwerk des Notierens gehen: Wie machen sich Schriftsteller*innen und Journalist*innen eigentlich heute Notizen? Wie gehen sie mit den Notizen um, was machen sie aus ihnen? Und kann man Notizen eigentlich vorlesen?
Zahlreiche weitere Veranstaltungen und Präsentationen begleiteten den Kongress, etwa eine Posterausstellung, ein von Studierenden der Philosophischen Fakultät der Universität Potsdam bestrittenes Barcamp, das Fontane aus einer interdisziplinären Perspektive verhandelt, Workshops für Lehrerinnen und Lehrer und ein Forum ›Junge Fontane-Forschung‹, in dem Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler über ihre Forschungsvorhaben zu Fontane berichteten. Es bestand die Möglichkeit zum Besuch der Potsdamer Fontane-Ausstellung »fontane.200/Brandenburg – Bilder und Geschichten« im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte oder auch der Leitausstellung »fontane.200/Autor« im Museum Neuruppin.
Ansprechpartner*innen
Peer Trilcke
Vorsitzender des Programmkomitees
Telefon:
+49 331 20139-6