10. November 1847, Wednesday

Event

10.11.1847
F verfaßt eine Art Rechenschaftsbrief an Wilhelm Wolfsohn, in dem er die Kontakte zu seinen Bekannten und seine literarischen sowie beruflichen Verhältnisse einen kritischen Sichtung unterzieht [1]
  • 1: Fontane/Wolfsohn 2006,28–31

Letter from Fontane to

10.11.1847

F berichtet von der „Cüstriner Bücherfrau“, dem Vorbild für Hoppenmarieken in Vor dem Sturm; zur Verlobung mit Emilie Rouanet-Kummer (→ 8. 12. 1845) – „Ich habe in meiner Liebe viele Kämpfe durchgemacht; […] ich habe mir die Befähigung abgesprochen je ein Weib glücklich machen zu können, und habe gleichzeitig meinen eignen Untergang als eine Gewißheit vor Augen gesehn“ – und die literarische Entwicklung: „ich bin jetzt von meinem Recht durchdrungen, ein Gedicht zu machen; das mag Dir andeuten, daß ich ein Anderer geworden bin. Du lächelst vielleicht; du frägst, worauf sich dieses Selbstvertrauen stützt, und lächelst wieder, wenn ich sage, das fühlt sich. Ich könnte Dir erzählen, daß ich mit dem Cotta’schen Morgenblatt auf dem besten Fuße stehe, könnte Dir mitteilen, daß man in mich dringt, meine Sachen zusammenzustellen und ’raus zu geben – indessen wiederhol‘ ich Dir, es ist nicht diese Anerkennung von außen, sondern die tief innere Überzeugung, daß ich einen Vers schreiben kann, was mein Fiducit erweckt. […] Das Lyrische hab’ ich aufgegeben, ich möchte sagen blutenden Herzens. Ich liebe eigentlich nichts so sehr und innig wie ein schönes Lied und doch ward mir gerade die Gabe für das Lied versagt. Mein Bestes, was ich bis jetzt geschrieben habe, sind Balladen und Charakterzeichnungen historischer Personen; ich habe dadurch eine natürliche Übergangsstufe zum Epos und Drama eingenommen, und diesen Sommer bereits ein episches Gedicht in neun (kleinen) Gesängen geschrieben […] Mit heiligem Eifer würd ich mich unverzüglich an die Gestaltung eines Dramas machen, das bereits im Geiste in mir lebt, wenn ich nicht zwischen heut und drei Wochen wieder hinterm Tische stünde und dem Publikum statt fünffüßiger Jamben Dekokte u.a.m. zu bieten hätte. […] Ich habe den Wunsch, Poët vom Fach zu sein, lange und für alle Zeit begraben. Nach meiner Meinung muß ein Dichter allemal Dilettant sein und bleiben; so wie der Fall mit der melkenden Kuh eintritt, ist es mit der Poësie Matthäi am letzten.“ F bittet Wolfsohn, Georg Günther zu grüßen: „Schreiben an ihn kann ich nicht; einesteils ist diese Leidenschaft überhaupt dahin, dann aber zweimal dasselbe, ist fast zuviel verlangt“ – in zwei Jahren hofft F. allerdings Apothekenbesitzer, Gatte und Familienvater zu sein [2]
  • 2: FBV 47/6; HFB 1,35–39 (37/38–39/39)

Last change: 16.02.2024

Empfohlene Zitierweise: Roland Berbig: Theodor Fontane Chronik digital. Auf der Grundlage der »Theodor Fontane Chronik« (5 Bde., Berlin: De Gruyter 2010) hg. v. Theodor-Fontane-Archiv. Potsdam 2021ff. URL: https://www.fontanearchiv.de/en/chronik/1847-11-10/. Letzte Bearbeitung: 16.02.2024.

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