Archiv mit Sauna

von Rainer Falk

»Wir sind das weltweit einzige Archiv mit einer Sauna im Keller!« Der Satz löst bei Führungen durch das Theodor-Fontane-Archiv immer Heiterkeit aus. Zugegeben: Es handelt sich um eine bloße Behauptung. Wer kennt schon alle Archive weltweit? Zumindest wurde der Gegenbeweis bislang nicht erbracht. Wie aber kam es zu einer Sauna im Keller der historischen Villa Quandt, dem Sitz des Theodor-Fontane-Archivs seit 2007?

 (opens enlarged image)Image: PNN / Andreas Klaer
Das Abkühlbecken, dessen Kacheln aus der Küche des Prinzen Oskar stammen dürften.

Der Verdacht der Urheberschaft könnte auf den Prinzen Oskar Karl Gustav Adolf von Preußen fallen, der das Gebäude ab 1914 mit seiner sich ständig vergrößernden Familie bewohnte. Auf den fünften Sohn des letzten deutschen Kaisers Wilhelm II. geht der Anbau der beiden Seitenflügel zurück, die die Räumlichkeiten im Erdgeschoss um eine Bibliothek, ein Esszimmer sowie ein Damen- und ein Herrenzimmer erweiterten. Im Keller der neuen Flügel wurden aber keine Sauna, sondern die Personalunterkünfte und die Küche untergebracht. Der Speiseaufzug, mittels dessen die dort zubereiteten Mahlzeiten in das darüber gelegene Esszimmer befördert wurden, ist noch erhalten.

 (opens enlarged image)Image: SPSG / Stefan Gehlen
Der Anbau für die Saunaheizung aus der Zeit des Militärstädtchens, erkennbar an Wellblechdach und Schornsteinrohr.

Die Sauna ist jüngeren Datums und stammt aus der Zeit des sogenannten Militärstädtchens Nr. 7, dem militärischen Sperrgebiet, in dem sich die Villa Quandt nach der Besetzung Potsdams durch die sowjetischen Truppen im Jahre 1945 befand. Welche Nutzungen das Gebäude bis zum Abzug der sowjetischen Armee 1994 erfuhr, ist nicht genau bekannt. Die Räumlichkeiten im Erd- und Obergeschoss wurden vermauert vorgefunden; da Fußböden oder Decken infolge des desolaten Dachs und maroder Wasserleitungen zunehmend einsturzgefährdet waren, hatte man den Zutritt auf diese Weise unterbunden. Die Kellerräume jedoch wurden bis zuletzt betreten und zu diesem Zweck von außen durch separate Eingänge zugänglich gemacht. Hier wurde im Südflügel ein Heizkraftwerk, im Nordflügel eine Sauna betrieben.

 (opens enlarged image)Image: TFA
Die Sauna nach der Sanierung.

Nach der Übernahme der Villa Quandt durch die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg (SPSG) erfolgten zunächst umfangreiche Rückbau- und Sicherungsmaßen. Erst durch die Unterstützung der Hermann Reemtsma Stiftung und des Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE) konnte in den Jahren 2006/07 die Restaurierung wieder aufgenommen werden. Dabei orientierte sich die Wiederherstellung der Fassaden und des Grundrisses an dem Zustand der Erweiterung durch Prinz Oskar, der gut dokumentiert und vielfach noch erhalten war. Aus der Zeit des Militärstädtchens waren zumeist nur Bauschäden oder schädliche Eingriffe vorhanden, deren Erhalt nicht in Frage kam − mit Ausnahme der Sauna: Gestufte Bänke aus grobem Holz, in einem Eisengitter aufgeschichtete Saunasteine und ein rostiger Ofen bilden ein ungewöhnliches Ensemble und erinnern an die finsterste Epoche des Hauses. Die Kacheln des Abkühlbeckens dürften aus der Küche des Prinzen Oskar stammen.

Die Frage, die bei Führungen durch das Theodor-Fontane-Archiv unweigerlich auftaucht, lautet: »Nutzen Sie die Sauna denn noch?« Angesichts der gezeigten Bilder dürfte sich eine Antwort erübrigen. Offenes Feuer und hohe Luftfeuchtigkeit kämen für uns aber auch aus einem anderen Grund nicht in Frage: Als Archivar*innen liegt uns der Erhalt der uns anvertrauten Handschriften am Herzen − wie übrigens allen Archivar*innen, auch denen ohne Sauna im Keller.

Weiterführende Literatur

Was bleibt …? Spuren der Geschichte am Potsdamer Pfingstberg. Potsdam 2009. Diese Broschüre können Sie hier erwerben.

Veranstaltung

Am Sonntag, den 15. Mai 2022, finden anlässlich des Internationalen Museumstags Führungen durch die Villa Quandt und zur Sauna statt.  Die Uhrzeiten finden Sie hier.