Ein autobiografisches Fragment
von Klaus-Peter Möller
Was über die Kindheit und Jugend von Emilie Fontane bekannt ist, geht beinahe ausschließlich auf das autobiografische Fragment zurück, das sie von Oktober bis Dezember 1858 verfasste, als sie mit ihrem Mann in London lebte. Emilie Fontane war damals 34 Jahre alt. Trotz literarischer Elemente ist dieser Text die wichtigste biografische Quelle und zugleich ein berührendes Document humain. Um diese Aufzeichnungen leichter zugänglich zu machen, wurden der Text im Jubiläumsjahr Emilie200 unter Berücksichtigung der beiden bisherigen Editionen in den Fontane Blättern erneut abgedruckt und mit einem ausführlichen Kommentar erschlossen. Diese Ausgabe wird hier als Open Access-Sonderdruck für alle Interessenten bereitgestellt.
Bewusst wählte Emilie Fontane eine literarische Form für die Beschreibung ihrer Kinder- und Jugendjahre. In der Familien-Korrespondenz mit den Merckels finden sich die Bezeichnungen »Jugendnovelle«, »Lebensnovelle« oder einfach »Novelle«. Vielleicht wurde durch die distanzierende Darstellung in der dritten Person ein Erzählen überhaupt erst möglich. Außerdem hat Literatur größere Lizenzen hinsichtlich der Faktizität. Unerhört ist beinahe alles, was Emilie hier über sich erzählt, angefangen von der Vermittlung zur Adoption per Zeitungsannonce als Folge ihrer unehelichen Geburt bis zur halbherzigen Erklärung ihres Adoptivvaters über ihre Identität. Künstlerisch ambitioniert dürfte dieser Text kaum gewesen sein, eine Publikation war gewiss nicht beabsichtigt. Aber für Emilies Biografie und für ihr Selbstbild ist er außerordentlich aufschlussreich.
Der Text bricht mit dem Jahr 1839 ab, auch wenn darunter steht »Fortsetzung folgt«. Die einzige überlieferte Handschrift wird heute in der Berliner Staatsbibliothek verwahrt. Sie ist von Emilie Fontane eigenhändig geschrieben und trägt keinen Titel. Friedrich Fontane notierte später mit Bleistift auf dem ersten Blatt: »Selbstbiogr[aphie]. von Th. F.‘s Frau Emilie« und fügte hinzu »ist getippt!«. Diese Schreibmaschinen-Abschrift ist verschollen. Über weitere Überlieferungsträger ist nichts bekannt.
Bei der Handschrift der Berliner Staatsbibliothek könnte es sich um das Exemplar handeln, das Emilie 1858 schrieb und das ihr Mann als Beilage seines Briefes vom 1.–2. Januar 1859 aus London an die Merckels in Berlin schickte.
Open Access-Sonderdruck
Anlässlich des 200. Geburtstags von Emilie Fontane hat Klaus-Peter Möller den Text der »Jugendnovelle« in den Fontane Blättern 118 unter Berücksichtigung der bisherigen Editionen mit einem ausführlichen Kommentar neu herausgegeben.
Hier findet sich der Open Access-Sonderdruck dieses Beitrags.
Glück und Unglück wechselt in jedes Menschen Leben ab.
Dank
Ein Dank geht an die Staatsbibliothek zu Berlin für die Bereitstellung der Digitalisate, an Jochen Fontane für seine Hinweise zu den Lebensdaten der erwähnten Personen, Gotthard Erler für Hinweise zur Entstehungsgeschichte des autobiographischen Fragments, Jule Ana Herrmann für Hinweise und Korrekturen, Jenny Hantke für eine Revision der Transkription.
Empfohlene Zitierweise: Klaus-Peter Möller: Emilie Fontanes ›Jugendnovelle‹. Ein autobiografisches Fragment, Blogserie Objekt des Monats, hg. v. Theodor-Fontane-Archiv, 24.12.2024. URL: https://www.fontanearchiv.de/blogbeitrag/2025/01/3/emilie-fontanes-jugendnovelle