Von Klaus-Peter Möller
Als äußerer Hinweis auf das Theodor-Fontane-Archiv ist vor der Villa Quandt eine Fontane-Büste aufgestellt, etwas versteckt und eingeklemmt zwischen dem Stamm einer großen Linde und dem Gebäude und in leisem Aufbegehren gegen die dem Kunstwerk inhärente Dynamik. Unser Fontanedenkmal ist nicht so groß, wie es vielleicht andere Orte haben. Es wird für die Besucher erst richtig sichtbar, wenn diese ihre Schritte in die Auffahrt zum Portal einlenken. Einen Hinweis, um wen es sich handelt, erhalten die Passanten nicht. Auch welcher Künstler sich hinter der Signatur P. F. auf der Rückseite verbirgt, erfährt man nicht.
Die Bronzeplastik stammt von dem Bildhauer Peter Fritzsche (*1938) aus Freital. Der erste Abguss wurde 1978 in Bad Freienwalde aufgestellt. Für das Theodor-Fontane-Archiv wurde 1980 ein zweiter Abguss bestellt, der zunächst für einige Zeit hinter jener legendären Blechtür verschwand, die die Innenräume des Archivs vor der Außenwelt schützte. Erst einige Jahre später wurde die Büste im öffentlichen Raum aufgestellt, wo sie am 18. Oktober 1985 anlässlich des 50jährigen Bestehens des Archivs feierlich enthüllt wurde. Seither gehört sie unangefochten zu den schönsten Kunstwerken in Potsdam. Sie hat schon verschiedene Standorte ausprobiert. Nach der Wende begann für das Archiv eine Zeit des Wanderns. Fonty zog hinterher. Jedes Mal war er so aufgestellt, dass er das Gebäude, in dem sich sein Archiv befand, über die Achsel ansah.
Zunächst stand das Denkmal am Rand der Plantage an der Ecke Yorkstraße / Dortustraße, ganz in der Nähe des Archivs, das damals in den Räumen des heutigen Bundesrechnungshofes untergebracht war. 1998 zog es dem Archiv hinterher an den Bassinplatz, wo es einen Platz am Rand der Gutenbergstraße erhielt, der Einmündung der Benkertstraße gegenüber. Hier wurde es am 12. Mai 1998 feierlich eingeweiht und mit einem Kranz aus Ähren und Blumen geschmückt. Im Oktober 2010 wurde es vor der Villa Quandt aufgestellt, wo das Archiv seit 2007 residierte. Ursprünglich wurde die Büste von einem Granitsockel getragen, der schlicht den eigenhändigen Namenszug des Dichters zeigte. Für die Aufstellung am jetzigen Ort erhielt sie einen neuen Sockel aus Eisen, der von dem Potsdamer Kunstschmied Christian Röhl (1940-2013) stammt, der die Plastik auch aufgestellt hat.
Am 6. Oktober 2010 wurde das Denkmal am jetzigen Standort vor der Villa Quandt in der Großen Weinmeisterstraße 46/47 in Potsdam feierlich von der Archivleiterin Hanna Delf von Wolzogen, dem Generaldirektor der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg Hartmut Dorgerloh und der Fachbereichsleiterin für Kultur und Museum der Stadt Potsdam Birgit-Katherine Seemann enthüllt.
Auch einen kleinen Krimi hat der Potsdamer Fonty schon erlebt. Anfang Juli 2001 wurde die Büste plötzlich vermisst. Die Polizei startete aufgrund einer Anzeige seitens des Archivs ein Ersuchen an die Öffentlichkeit um Mithilfe. Rasch stellte sich heraus, dass die Bronze gar nicht geraubt war. Die Stadtverwaltung hatte sie abmontieren lassen. Der Sockel musste renoviert werden. Die PNN berichteten am 4. Juli 2001: »›Raub‹ der Fontane-Büste aufgeklärt.«
Vergleicht man diese Bronze mit der zeitgleich entstandenen Plastik von Dietrich Rohde, fällt die Sensibilität auf, mit der der Künstler das Porträt des berühmten Dichters gestaltet hat. Es wirkt erratisch, fast ein wenig verschlossen, dennoch konzentriert, in aufmerksamer Schau begriffen und von einem ruhigen, altersweisen Humor durchsonnt. Durch die charakteristische, überstreckte Drehung des Kopfes verweigert die Plastik die Aufnahme einer direkten Sichtbeziehung. Die raue Oberfläche hat etwas Verletzliches, Empfindsames, das stets Äußeres und Inneres vermittelt und spiegelt. Er wollte den Suchenden betonen, erklärte der Bildhauer Peter Fritzsche 1985 während der Denkmalseinweihung, die bedrohte Güte in den Kämpfen der Zeit. So habe sich ihm Fontane nach der Lektüre des Stechlin mitgeteilt. »Unanfechtbare Wahrheiten gibt es überhaupt nicht. Und wenn es welche gibt, so sind sie langweilig.«
Bei den Besuchern des Fontane-Archivs ist die Plastik beliebt. Ein Selfie oder ein Gruppenbild mit Fontane gehört zu den Erinnerungsstücken, die jeder gerne mitnimmt. Mancher Fotofreund plagt sich ab mit den Sichtbeziehungen, die das Werk konsequent verweigert. Diese Plastik richtig aufzustellen und zu sehen, ist offenbar gar nicht so einfach. Gäste, die wiederkehren, beschenkt sie mit überraschenden Augenblicken in Resonanz zur Witterung, zum Tageslicht und zur Jahreszeit.
Ein Nachtrag
Zu Pfingsten 2021 ist die Linde neben dem Denkmal im Sturm abgebrochen. Glücklicherweise wurde dabei niemand verletzt, auch das Gebäude und die Bronzebüste wurden nicht beschädigt. Aber die Situation hat sich erneut grundlegend geändert.
Empfohlene Zitierweise: Klaus-Peter Möller: »Die Fontane-Büste. Die Fontane-Büste von Peter Fritzsche vor der Villa Quandt«, Blogserie »Objekt des Monats«, hg. v. Theodor-Fontane-Archiv, 3.5.2021. URL: www.fontanearchiv.de/blogbeitrag/2021/05/3/die-fontane-bueste