Jüngstes Gericht über Tangermünde

Theodor Fontanes ›Grete Minde‹ beruht auf einer wahren Begebenheit. Am 22. März 1619 ‒ also vor genau vierhundert Jahren ‒ wurde in Tangermünde eine junge Frau hingerichtet, die man beschuldigte, die Stadt in Brand gesteckt zu haben. Um sich dem Stoff anzunähern, führte Fontane eigens Recherchen vor Ort durch. Ihm waren aber auch die Forschungen des Juristen und Historikers Ludolf Parisius bekannt, der aufgrund von Widersprüchen in den Prozessakten Grete Mindes Unschuld nachgewiesen hatte.

Obwohl er um den wahren Sachverhalt wusste, machte Fontane seine Titelheldin zur Brandstifterin und damit zu einer gegen Fremdenfeindlichkeit und soziale Ungleichheit rebellierenden jungen Frau. Aus dem historischen Stoff formte der Schriftsteller das düstere Porträt einer Gesellschaft, in der festgefahrene Werte den Egoismus derjenigen rechtfertigen, die sich vor dem Fremden fürchten.